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Letzte Änderung / Last update: 2020-Dez-04

Gute Lehrer, schlechte Lehrer

Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich offensichtlich viel Glück hatte mit den Schulen, auf die ich gegangen bin. Zuerst die Grundschule in Hamburg-Groß-Borstel und dann die meiste Gymnasiumszeit in Hamburg-Harburg an der Alexander-von-Humboldt-Schule, in mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung.

Bis zum Abitur habe ich es da natürlich mit allen möglichen Typen von Lehrern zu tun bekommen, fachlich sowie menschlich. In der Rückschau kann ich da einigermaßen fundierte Vergleiche anstellen und alles ein bisschen einordnen.


Gute Lehrer

Da will ich gleich von zwei Lehrern berichten, interessanterweise beides Mathe-Lehrer. Mathe war nicht direkt mein Lieblingsfach, das war eindeutig die Physik. Letzteres wohl wegen erblicher Vorbelastung, mein Vater war auch Physiker. Aber Physik besteht ja zu einem großen Teil aus Mathematik, das lag also auch nicht so weit fern.


Der Referendar mit dem Programmierten Lernen

Leider weiß ich nicht mehr präzise, wann das war. Halt irgendwann zwischen 7. und 9. Klasse. Da kam ein Referendar frisch von der Uni und machte mit uns einen Halbjahreskurs à zwei Wochenstunden über Mengenlehre. Die war damals, Anfang/Mitte der 1960er Jahre, das Neueste vom Neuen. Sie wurde von der Allgemeinheit eher verständnislos betrachtet, die Komiker rissen laufend Witze darüber. (Später an der Uni war es täglich Brot, und ich war dankbar für diese Vorbildung.)

Die Methode, die jener Referendar anwendete, war das sogenannte [WP Programmiertes Lernen]. Das bestand aus einem fast normalen Lehrbuch, das aber strikt in kurze Kapitel von ein bis zwei Seiten eingeteilt war. Nach jedem solchen Lehrteil folgte auf einer neuen Seite ein kurzer Test über den Inhalt der Lektion. Wenn man eine Frage nicht richtig beantworten konnte, wurde man zurückverwiesen auf die Seite oder das Kapitel, wo der jeweilige Sachverhalt erklärt wurde. Alles auf Papier, analog, in der Vor-Computer-Zeit.

Im Präsenzunterricht in der Schulklasse wurde der selbe Inhalt erklärt, in konventionellem Frontalunterricht. Zwischendurch halt auch mal Zwischenfragen in die Klasse hinein, wie es üblich war. Aber alles immer in kleinen, übersichtlichen Informationspäckchen, wo im Endeffekt niemand Probleme hatte zu folgen. Es hörte sich alles (nicht nur für mich) so einfach und in sich logisch an, das konnte man direkt verarbeiten.

Am Ende des Halbjahrs bekam die eine Hälfte der Klasse eine Zwei, die andere Hälfte eine Eins. Und das erschien vollkommen berechtigt, ohne dass da besonderes Wohlwollen einfließen musste. Einfach jeder hatte den Stoff kapiert, und das alles locker und ohne Stress. Super.

Ein Halbjahr verging, ohne den Referendar, aber Anfang des nächsten Schuljahrs war er wieder da. Same procedure: Selber Referendar, selbe Methode, Thema jetzt aber Vektorrechnung. Das war nicht ganz so exotisch, aber auch ein bisschen komplizierter und anstrengender. Aber unsere Klasse war ja nicht auf den Kopf gefallen, und der Referendar half.

Wie Sie vielleicht schon vermuten, war das Ergebnis haargenau dasselbe: Alle hatten alles kapiert und konnten es auch anwenden, im Zeugnis dann wieder Hälfte/Hälfte Eins und Zwei. Wieder super. Stress? Nö, eigentlich nicht.

Im Nachhinein kann ich nicht entscheiden, wer mehr Anteil an diesem Erfolg hatte, die Lehrmethode oder der Lehrende. Der Referendar war freundlich, nett, aber sonst eher neutral. Egal. Ich nehme daraus mit, dass man Lehrstoff am besten in kleine, übersichtliche Päckchen aufteilt. Bei so kleinen Einheiten lässt sich am besten sicherstellen, dass alles erfolgreich verstanden und gemerkt wurde.

Der Erfahrene mit dem wissenschaftlichen Hintergrund

Anfang meiner 12. Klasse ergab sich, dass unsere Familie bald ins Nachbarbundesland umziehen würde. Meine Eltern erkundigten sich und erfuhren, dass man dort schon ein bisschen weiter im Stoff war und ich da also Aufholbedarf hatte. Praktischerweise betraf das in meiner Klasse exakt genauso einen weiteren Klassenkameraden, so dass wir schon zu zweit waren. Zum Zeitpunkt des Umzugs hatte man an der neuen Schule die Differentialrechnung schon komplett und die Integralrechnung schon ziemlich weit angefangen.

Unser Mathe-Lehrer war ein alterfahrener Lehrer, der die Materie mit wissenschaftlicher Grundlage vermittelte. Bevor wir in die eigentliche Differentialrechnung einstiegen, bekamen wir es mit Folgen, Reihen und Grenzwertbetrachtungen ("Epsilontik!") zu tun. Schon anspruchsvoll, aber für mich beherrschbar. Da gab es dann schon kleine Hinweise auf zukünftige Anwendung dieser Sachen auf Steigungdreiecke in Kurven, so dass man die Steigung in einem bestimmten Punkt berechnen konnte. Das war der Stand.

Und dann wurde es auch schon Winter, im neuen Jahr sollte es an neuem Ort weitergehen. Der Klassenkamerad und ich wurden abends von meiner Mutter zum Wohnhaus des Lehrers gefahren, über total vereiste Straßen in das Umland. Wir setzten uns zu dritt zusammen und legten los.

Der Lehrer machte aber mitnichten einen Schnellkurs. Nein, es ging mit dieser wissenschaftlichen Präzision weiter, und zwar ganz streng nach dem mathematischen Schema Satz, Behauptung, Beweis. Und das wirklich für jede Regel der Differenzierung von Funktionen einzeln. Ohne jede Ausnahme. Hallo. Aber das funktionierte, wir kamen mit und merkten uns wohl auch das Wichtige. An diesem einzigen Abend handelten wir so die komplette Differentialrechnung durch sowie die grundlegenden Teile der Integralrechnung. An EINEM EINZIGEN Abend! Irre. Stress? Nun ja, wir mussten uns halt gewaltig konzentrieren, aber es ging.

Seitdem komme ich immer wieder ins Grübeln, was sein würde, wenn man so ein konzentriertes Lernen öfter anwenden würde. Wahrscheinlich kann man das als normaler Mensch nicht Tag für Tag mitmachen, aber alle Nase lang vielleicht schon eher. Ich stelle das mal als Anregung in den Raum.


Schlechter Lehrer

Es gab in meiner Schulkarriere jede Menge Lehrer, die das Schießpulver auch nicht erfunden hatten und auch menschlich keinerlei Vorbild darstellten. Aber meistens spielte es im Endeffekt keine große Rolle.

In der Oberstufe konnten wir wahlfrei, also komplett freiwillig, an Lateinunterricht teilnehmen. Praktisch die gesamte Klasse machte da mit. Dazu kam ein nagelneuer Studienrat frisch von der Uni (kein Referendar mehr). Er war ein bisschen merkwürdig gekleidet und hatte ebenso ein merkwürdiges Auftreten. Vorwiegendes Merkmal: Als Schüler verstand man niemals, was er eigentlich wollte. Er erklärte nichts oder zumindest nicht so, dass es einem weiter half. Wir schauten alle in die Röhre und wussten nur, dass wir kompromisslos jedes C als K auszusprechen hatten, also Käsar und Kikero. Das machte alles keinen Spaß und brachte null Erfolgserlebnis. Die Zeugnisse am Ende brachten das Gegenteil der oben berichteten Ergebnisse: Die eine Hälfte der Klasse stand auf Fünf, die andere Hälfte auf Sechs. Und wir waren uns keiner Schuld bewusst; wie oben angeführt, war unsere Klasse eigentlich allgemein nicht auf den Kopf gefallen. Unterirdisch.

Anekdote aus dem Netz: Mutter fährt Kind zur Schule. Vor ihnen ein Typ auf einem Moped. An einer Kreuzung blinkt er rechts, fährt aber geradeaus. Er fährt teilweise Schlangenlinien und blockiert alle, als ein Lkw entgegenkommt und er nicht weiterfährt. Kind: "Das ist übrigens mein Lehrer. Er fährt besser, als er unterrichtet."




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